Zum Weltfrauentag am 8. März

 

Tahareh, die Kämpferin

Vorurteilen und blinder Unvernunft müssen wir mit mutigen Taten entgegentreten. Darum drehe ich das Zeitrad für eine mutige Frau knapp zwei Jahrhunderte zurück. Es ist an der Zeit, über Tahareh zu schreiben. Hiermit erinnere ich an Sarin Tadj Tahareh Ghoratol'eyn, die erste Wegbereiterin der Bahá’i-Religion und der modernen persischen Frauenbewegung. Lange Zeit herrschte im Westen die Annahme, dass die Frauenrechtsbewegung um etwa 1844 in den USA begann. Doch historisch ist belegt, dass zu den ersten Frauenrechtlerinnen auch die persische Dichterin Tahareh (1814 – 1852) gehörte. Obwohl ihre Lebensumstände seinerzeit von einigen westlichen Iranreisenden und Orientalisten aufgezeichnet wurden, wurden diese Informationen immer wieder unterdrückt oder verfälscht weitergegeben.

"Sie können mich töten, wann immer sie wollen - aber sie können die Emanzipation der Frauen nicht verhindern!"

Zum Weltfrauentag möchte ich an eine mutige Frau aus meiner alten Heimat erinnern, die diesen Ausspruch tat und noch heute als Vorbild der Frauenbewegung im Iran gilt - die Wegbereiterin Sarin Tadj Tahereh Ghoratol'eyn. Tahereh (1814 in Qazvin, Iran geb.) wuchs Mitte des 19. Jahrhunderts als 4. Tochter des Mullahs Mohammad Salih Baraghani auf, der sie über alles liebte und schnell ihren hohen Wissensdurst erkannte. So lehrte er sie Theologie, Jurisprudenz, persische Literatur und Poesie. Sie durfte islamische Studien durchführen und studierte den Koran und die islamischen Rechte. Tahereh übertraf bei Weitem die männlichen Studenten ihres Vaters mit ihrem Wissen und überzeugte alsbald auch mit ihren literarischen Talenten. Ihr Vater erlaubte ihr sogar, heimlich hinter einem Vorhang versteckt, den Lehren zu lauschen, die er seinen männlichen Schülern gab unter der Bedingung, dass sie dies anderen nicht verriet. Er nannte sie liebevoll "Zarrin Taj" ("Goldkrone").

Bald verfügte sie über ein reichhaltiges Wissen, wurde zur Gelehrten und Dichterin. Zudem beschäftigte sie sich mit den Schriften des Bab, dem Gründer der Babi Bahá'i. Infolgedessen erregte es spektakuläres Aufsehen, als sie im Jahre 1848 ihren Schleier in der Öffentlichkeit ablegte. Mit dieser Handlung war sie die erste Frau, die den Grundstein für die Frauenbewegung im damaligen Persien legte und sich somit gegen die Unterdrückung der Männerwelt stellte.

So hatte sie auch keinerlei Scheu, sich auf Kontroversen mit männlichen Kontrahenten einzulassen, was allerlei Unmut hervorrief, zumal sie in ihrer Argumentation stark und standhaft blieb, was verblüffte, zumal es ihren männlichen Gegnern an Gegenargumenten mangelte. Nie ließ sie sich auf ihrem Weg beirren, auch als die Anfeindungen gegen sie zunehmend schärfer und drohender wurden.

Ihr Leben, Einfluss und deren Ausführung machten sie zu einer Schlüsselfigur der Frauenbewegung. Sie wurde häufig bedroht, doch blieb sie ihren revolutionären Grundsätzen weiterhin treu. In der iranischen Männergesellschaft galt sie als Stein des Anstoßes. Tahereh wurde im Jahre 1850 verhaftet und nach Teheran geschafft. Dort war Naser ad-Din Schah zutiefst von ihr beeindruckt und verfügte, dass ihr kein Leid geschehen sollte. Sie wurde allerdings unter Arrest gestellt. Nach einem Aufstand wurde sie in Teheran auf brutale Art getötet. Es heißt, sie wurde mit ihrem eigenen Schal erdrosselt und sodann in einen Abgrund geworfen, wo sie unter Müll begraben wurde.

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Zu einer Zeit als die Frauenbewegung im Westen gerade begann, für das Wahlrecht zu kämpfen, verkündete der Stifter des Bahá’i-Glaubens die Gleichberechtigung von Mann und Frau als unverzichtbare Voraussetzung für den Frieden und die Entwicklung der Menschheit. Gemäß der Bahá’i-Lehre ist die Erkenntnis der Einheit der Menschheit die grundlegende Voraussetzung für eine Neuordnung und Befriedung der Gesellschaft. Hierbei ist die Gleichberechtigung der Geschlechter ein entscheidender Grundsatz. Der kämpferische Mut Taharehs ist auch heute noch im Iran unvergessen. Tatsächlich haben ihr Leben und ihr Vorbild viele Frauen und Männer in der ganzen Welt inspiriert.

„Ya Russari - ya tussari“ (entweder Kopftuch oder Kopfschläge) lautete die Devise der neuen Kleiderordnung im Iran zu Beginn der Islamischen Revolution, die wie ein Untier die Menschen drangsalierte. Frauen, die nicht gehorchten, wurden die Tücher an der Stirn festgetackert oder Säure ins Gesicht gegossen. Doch auch in Anlehnung an Tahareh protestierten diese Frauen auf der Straße „Na russari – na tussari – ma nemikhahim bala ssari“ (Kein Kopftuch – kein Kopfschlag - Wir wollen keine Beherrscher haben). Auch wenn die Aufstände stets blutig niedergeschlagen wurden, begriffen die Frauen eines, dass sie sich nämlich nur durch Bildung ihren Platz in der Gesellschaft erkämpfen konnten. Heute im Jahre 2013 sind 70 % der Hochschulabsolventen im Iran Frauen, die sich ihren Platz in der iranischen Gesellschaft fest erkämpft haben. Nichts würde heute wirtschaftlich oder geisteswissenschaftlich im Iran ohne die Frauen laufen, deren Mut und Unerschütterlichkeit sie immer aufs Neue um ihre Würde und Gleichstellung kämpfen lässt. Viele Frauen sind im Widerstand und die Zahl ist wachsend.

B.N.