Britisch-iranische Doppelstaaterin Zaghari-Ratcliffe nach Ablauf von Freiheitsstrafe erneut angeklagt
14.03.21
Wann darf Nazanin Zaghari-Ratcliffe zurück zu ihrer Familie nach Großbritannien? Obwohl sie ihre fünfjährige Freiheitsstrafe abgesessen hat, darf sie Iran nicht verlassen. Sie steht erneut vor Gericht.
Erst am vergangenen Sonntag wurde Nazanin Zaghari-Ratcliffe ihre Fußfessel abgenommen. Damit endete eine fünfjährige Freiheitsstrafe, zu der die iranische Justiz die britisch-iranische Doppelstaaterin 2016 verurteilt hatte. Vier Jahre hatte sie im Gefängnis und mehrere Monate davon in Isolationshaft gesessen, bevor ihr wegen der Corona-Pandemie gestattet worden war, das letzte Haftjahr im Hausarrest bei ihren Eltern zu verbringen.
Doch statt Freiheit und der langersehnten Rückkehr nach Großbritannien – wo sie mit ihrem Mann und ihrer sechsjährigen Tochter Gabriella lebt – sah sich Nazanin Zaghari-Ratcliffe mit einer neuen Anklage konfrontiert. Ihr werde Propaganda gegen Iran vorgeworfen, teilte die britische Abgeordnete Tulip Siddiq mit. An diesem Sonntag musste die 42-Jährige in Teheran vor einem Richter erscheinen.
Der Gerichtstermin sei in guter und ruhiger Atmosphäre verlaufen, sagte Nazanin Zaghari-Ratcliffes Anwalt nach der Anhörung. Er gehe davon aus, dass das Urteil binnen einer Woche falle und seine Mandantin freigesprochen werde. Ihr Mann Richard Ratcliffe, der sich von Großbritannien aus vehement für ihre Freilassung einsetzt, befürchtet im schlimmsten Fall eine erneute jahrelange Freiheitsstrafe.
Doppelstaaterin als Druckmittel in Verhandlungen mit London?
Nazanin Zaghari-Ratcliffe war 2016 mit ihrer Tochter zu Besuch bei ihren Eltern in Iran, als sie festgenommen wurde. Ihr wurden unter anderem Spionage sowie die Planung eines Umsturzversuchs gegen das Regime in Teheran vorgeworfen. Obwohl die Britin alle Anklagepunkte gegen sich vehement zurückwies, wurde sie von einem Revolutionsgericht zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe verurteilt.
Die neuen Vorwürfe beziehen sich ebenfalls auf die Zeit vor ihrer Festnahme in Iran. So soll sie unter anderem an einer Demonstration vor der iranischen Botschaft in London teilgenommen und der BBC ein Interview gegeben haben. Warum die neuen Vorwürfe erst jetzt und nicht im Prozess 2016 verhandelt wurden, ist unklar.
Der Fall hat international für Aufsehen gesorgt und belastet die Beziehungen zwischen Großbritannien und Iran. Menschenrechtsgruppen kritisieren, dass Doppelstaaterinnen und Doppelstaater wie Nazanin Zaghari-Ratcliffe von Iran auch als Faustpfand eingesetzt werden. Unterstützerinnen gehen davon aus, dass die 42-Jährige Iran als Druckmittel im Rechtsstreit über die Rückzahlung von 400 Millionen Pfund dient, die Großbritannien Teheran schulden soll. Teheran bestreitet das.
Vergangene Woche hatte sich auch Großbritanniens Premierminister Boris Johnson für die Ausreise von Nazanin Zaghari-Ratcliffe eingesetzt. In einem Telefonat mit Irans Präsident Hassan Rohani nannte er das weitere Festhalten »absolut inakzeptabel«. Iran ließ danach mitteilen, Johnson habe in dem Telefonat die Notwendigkeit betont, die Schulden des Landes gegenüber Iran zurückzuzahlen.
Quelle: Spiegel.de