Omid heißt Hoffnung - Ausstellung mit Werken von Soudabeh Ardavan
vom 26. - 17. März 2016

Vernissage 26. Februar 2016 - 18.00 Uhr

 

 

Der Moderator, Johannes von Dohnanyi, hielt seine Einführung mit einem Überblick über die Situation im Iran, wobei er in seiner Einschätzung sehr klar äußerte, dass auch die Wahlen der Reformer im Iran kaum zu Veränderung der Menschenrechte führen werden.

Danach berichtete Frau Ardavan mit Hilfe von Frau Mousapour, die für sie dolmetschte, über ihre Inhaftierung im berüchtigten Evin-Gefängnis und dokumentierte ihren Gefängnisaufenthalt anhand von gemalten Bildern. Diese Bilder stellte sie aus der Not geboren und auf äußerst originelle Weise her, indem sie aus einem Zahnstocher, den sie mit eigenen Haaren umwickelte, einen Pinsel baute, und auf Würfelzuckerpapier malte und als Farbgebung Teebeutel nutzte.

Anhand einer Leinwand, auf die ihre Bilder produziert wurden, dokumenierte sie die letzten zwei Jahre ihres achtjährigen Haftaufenthalts. Als "Volksschädling" war sie zu zwei Jahren Haft verurteilt worden, die dann - ohne Gerichtsverhandlung - um drei weitere Jahre verlängert wurden. Nach fünf Jahren musste sie drei weitere Jahre auf ihre Freilassung warten.

In dieser Zeit erlebte sie auch Folterungen an Mitgefangenen und deren Selbstmorde. Die Wärterinnen im Evin gingen besonders grausam mit den Gefangenen um und dieses Trauma haftet ihr noch heute an. In dieser Zeit wurde auch eine junge Frau getötet, die sich weigerte, zum Islam zu konvertieren. "Ich kann keine fröhlichen Bilder malen", so Soudabeh Ardavan zum Abschluss, "denn diese Traurigkeit lebt immer in mir."

Nachdem sie ins Exil in Schweden ging, schrieb sie ein Buch, das Erinnerungen an ihre achtjährige Haft in den Gefängnissen der Islamischen Republik Iran beinhaltet. Der größte Teil des Buches besteht aus Skizzen und Zeichnungen, die sie während ihrer Zeit im Gefängnis angefertigt hat. Diese Bilder sind überwiegend in den letzten zwei Jahren ihrer Haft entstanden. Die Handarbeiten und Zeichnungen, die sie vor dieser Zeit gemacht hat, sind von den Gefängniswärterinnen beschlagnahmt und zerstört worden.

Die Veranstaltung war gut besucht und endete mit vielen aufschlussreichen Gesprächen danach. Unser ganz besonderer Dank gilt Frau Soudabeh Ardavan, der ihr Vortrag sichtlich Kraft kostete, die Stationen ihres Gefängnisaufenthalts noch einmal wieder aufleben zu lassen. Mein Gespräch mit dieser mutigen Frau sehe ich als wertvolle Bereicherung und als einen weiteren Anlass, mich nicht entmudigen zu lassen und die Menschenrechte weiter zu verteidigen. 
Danke auch an alle unsere Unterstützer, wie die Konrad-Adenauer-Stiftung und das Ökumenisches Forum HafenCity und die ausgesprochen gut gelungene Moderation von Johannes von Dohnanyi.

gez. IMUDI - Menschenrechte und Demokratie Iran -
Hady Talakoub und Barbara Naziri

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SOUDABEH ARDAVAN -
Ausschnitte aus der Gefängniszeit
„Zeichnen im Verborgenen“
Bilder einer politischen Haft im Iran

„Stell Dir vor, man trennt jemanden aus seiner gewohnten Umgebung und bringt ihn in einer Zelle unter. In dieser Zelle ist die Wand beige, der Boden ist grau. Alles, was es da gibt, ist entweder beige oder grau. Du hast keine Farben. Du bist nur in dieser Zelle. Es ist auch eng. Es ist eine ungewöhnliche Situation für einen Menschen. Es gibt nicht genug Essen. Du wirst bedroht, man trennt dich von den anderen. Man nimmt dir deine menschlichen Bedürfnisse weg. Vielen ist das klar. Man kann einfach darüber reden. Ein wichtiger Aspekt dieses Problems der Isolation wird jedoch von den meisten übersehen, und das betrifft die Rolle der Farbe in unserem Leben. Unser Leben ist von verschiedensten Farben umgeben. Wenn man an einem Ort gefangen gehalten wird, der aus neutralen Farben besteht, und an dem keine lebendige Farbe zu sehen ist, wird man nach einiger Zeit hungrig, wie bei Nahrungsnot. Es geschieht, ohne dass man es mitkriegt. Du wirst hungrig. Deine Seele verlangt nach Nahrung. Du willst fröhliche Farben sehen, genauso wie du essen und deine Freundinnen sehen willst. Diese Bedürfnisse existieren einfach in dir.

Mir ist das auch passiert. Ich war in Einzelhaft. Die Wächter hatten mir meine persönlichen Sachen weggenommen. Die Sachen, die ich anhatte, waren braun und beige. Ich lebte mit meinen wenigen Sachen. Eines Tages, als ich die Zelle hoch und runter ging, habe ich ein kleines rotes Ding bemerkt, das durch den Wind unter der Tür hereingeweht worden war. Mich überkam plötzlich so ein Gefühl von Begeisterung und Freude, und ich versuchte, mir diesen kleinen Gegenstand genau anzuschauen. Ich bin stehen geblieben und habe laut gerufen: ‘Wow, wie schön!’ Während ich das sagte, erkannte ich, dass es nur ein kleines Stück Garn war. Erst als ich darüber nachdachte, wurde mir klar, wie sehr die Farbe mir fehlt. In einer Umgebung, in der man dir diese Dinge wegnimmt, hast du eine Sehnsucht, du gehst unbewusst einem kleinen Stück Garn nach, und es kommt dir vor wie das schönste Bild der Welt.“

„Ich will nicht, dass die Menschen durch meine Erzählungen über mein Leid traurig werden. Ich wünsche mir, dass die Menschen dadurch lernen, dass man harte Zeiten im Leben überwinden kann. Ich denke, wenn ich hier in Schweden aufgewachsen wäre, wäre ich vielleicht ein gutherziger und netter Mensch geworden, aber ich hätte nicht meine heutigen Erfahrungen. Ich bin nicht der Meinung, dass jeder so etwas wie ich durchgemacht haben muss. Ich will nur vermitteln, dass ich gekämpft habe, dass ich eine gesunde Frau bin, und alle das machen können, was ich gemacht habe. Und ich will erzählen, was meiner Generation geschehen ist. Ich will das alles den anderen erzählen, bevor ich sterbe.“

Um vier Uhr morgens wird laut an der Wohnungstür gerüttelt. Alle Bewohner des dreistöckigen Hauses schlafen tief. Ich höre den fürchterlichen Lärm, und während ich meine Augen öffne, ahne ich schon, was passieren wird. (Wir schreiben das Jahr 1981, viele sind in dieser Zeit festgenommen worden.) Ich bleibe eine Weile bewegungslos liegen.

Die Zimmertür geht auf. Ein Pasdar (Revolutionsgardist) kommt mit einem Gewehr auf mich zu. Ich sage: „Verlass mein Zimmer, damit ich aufstehen und mich anziehen kann.“ Er schaut sich um, dann geht er aus dem Raum. Ich bin wegen der Hausdurchsuchung gar nicht so besorgt. Ich habe ja alles Verdächtige in meiner Wohnung richtig „entsorgt“. Sogar die verbotene Zeitschrift Kar (Arbeit), das Organ der Volksfedeian Minderheit, die ich gestern vor dem Schlafen gelesen habe, habe ich sorgfältig versteckt.

Im Erdgeschoss wohnt der Hauseigentümer. Im ersten Stock wohne ich und im zweiten wohnt eine Familie mit ihren drei Kindern. Ramin, der älteste Sohn der Familie, ist ein Anhänger der Volksmudjahedin. Er ist erst siebzehn Jahre alt und auf der Flucht. Seine Eltern haben einen Freund aus Ramins Organisation in der Wohnung versteckt. Die Pasdaran beginnen mit der Durchsuchung des Hauses. Sie befehlen mir, mich wie alle anderen anzuziehen und ins Erdgeschoss zu kommen. Das Telefon klingelt. Ich nehme den Hörer ab. Ramin ist am anderen Ende. Ich nutze die Gelegenheit, ihn zu warnen und sage zu ihm: „Wir haben Besuch, wir alle haben Besuch.“ „Wer ist gekommen?“, fragt er. „Na Besuch. Sie nehmen uns mit.“ „– Ach“ – er schweigt. Es ist klar, dass er weiß, was passiert ist. Ich lege auf. Da kommt ein Pasdar rein und beschimpft mich laut. Warum ich den Hörer abgenommen hätte, wer am anderen Telefon gewesen sei, was ich mit der Person besprochen hätte. Da ich vermute, dass das gemeinsame Telefon der drei Etagen abgehört wird und sie unser Gespräch mitbekommen haben, erzähle ich kurz, worüber wir geredet haben. „Ich habe ihm gesagt, dass wir Besuch bekommen haben.“ „Was heißt das, ‚Besuch bekommen’?“, fährt der Pasdar mich an. Ich antworte: „Ich meinte Sie.“

Ich habe keine Ahnung, was in seinem Kopf vorgeht. Er schaut mich eine Weile an, dann geht er weg. Ich bekomme auf einmal große Angst und bin froh, dass ich Ramin über das Geschehen im Haus informiert habe. Die Pasdaran durchwühlen das Haus. Sie finden aber keine wichtigen Dokumente. Einer, der denkt, etwas Wichtiges gefunden zu haben, sitzt in meinem Zimmer vor einem weißen Schrank, auf dem mit kunstvoller Schrift ein Gedicht geschrieben ist. Er versucht, es zu lesen, aber es gelingt ihm nicht. Er bittet seinen Kameraden um Hilfe. Der ist auch ratlos. Ich betrachte sie dabei und sage mir: „Lass sie ein wenig beschäftigt sein.“ Ein dritter und vierter Pasdar gesellen sich dazu. Sie schaffen es, gemeinsam ein paar Wörter zu entziffern. Als sie nicht weiterkommen, hilft ihnen unser Nachbar, das Rätsel zu lösen.

Die Rose lebt fünf, sechs Tage.
Der Rosengarten aber lebt ewig.


Bild: Soudabeh Ardavan

Sie bringen uns ins Wohnzimmer im Erdgeschoss. Einer der Männer, der mit einer Kalaschnikow bewaffnet ist, bewacht uns. Sein Finger liegt auf dem Abzug. Er sieht aus wie einer vom Dorf und fragt mit mitfühlender Stimme: „Warum macht ihr denn solche Sachen?“ Keiner antwortet ihm.

Nach der vollständigen Durchsuchung des Gebäudes und der Sicherstellung von Beweisen, die aus ein paar Büchern und ansonsten aus wertvollen Gegenständen, insbesondere Gold und Bargeld, bestehen, verbinden sie uns die Augen mit den Gardinen des Nachbarn, die sie zerschnitten haben. Sie befehlen uns, das Haus zu verlassen und in ihren Minibus zu steigen. Maryam, das dreizehnjährige Mädchen unserer Nachbarn, sitzt neben mir. Einige Zeit vergeht, bis ihre Mutter zu uns stößt. Sie hat den fünfjährigen Sohn noch bei ihrer Schwester untergebracht. Nun sind wir alle im Auto. Ahmad, der Freund und Organisationskamerad von Ramin, der sich bei der Familie versteckt hatte, sitzt hinter mir. Freunde von ihm sollen ihn und sein Versteck denunziert haben. Er ist nicht älter als siebzehn Jahre. Sie werden ihm im Gefängnis nicht viel Zeit geben und ihn gleich in den ersten Tagen nach seiner Festnahme hinrichten. Es überkommt mich ein eigenartig zwiespältiges Gefühl. Ich möchte mein Leben und meine Freiheit nicht verlieren, aber ich hoffe auch, im Gefängnis meine lieben Freunde, die bereits verhaftet wurden, wiederzusehen.


Bild: Soudabeh Ardavan

“Anfang 1981 war ich im Gefängnis. Da habe ich viele schreckliche Erfahrungen gemacht. Ich war zwei Monate lang unter Verhör und in Einzelhaft. Ich hatte gar nichts, keine Möglichkeit zu zeichnen. Die einzige Möglichkeit war, mir alles genau einzuprägen. Ich musste das Licht, die Formen und Situationen in meinem Gedächtnis speichern. Was ich in der Einzelzelle während dieser zwei Monate in der Abteilung 209 sah und erlebte, waren Licht, Farblosigkeit, Kälte. Ich sah nur Füße und Schatten.

Ein schreckliches Erlebnis hat sich mir besonders eingeprägt. Stell Dir mal vor, du siehst jeden Tag durch den unteren Türschlitz blutige Füße, die vorbeigehen. Ich habe versucht, sie mir genau einzuprägen. Später, als ich in die Gemeinschaftszelle verlegt wurde, habe ich die Leute an ihren Füßen wiedererkannt. Wir wurden nach Verhör und Folter in Gemeinschaftszellen untergebracht. Ich erkannte sie einfach an ihren Füßen wieder.“

Der Bus erreicht sein Ziel. Wir steigen aus und hören Koranverse und Predigten, die aus einem Lautsprecher schallen. Es scheint da ein großer Raum zu sein. Wir betreten das Gebäude. Sie durchsuchen uns und nehmen uns unsere Uhren, Goldschmuck und alles, was wir am Leibe tragen, weg. Nachdem wir mehrere Türen passiert haben, gelangen wir in einen Flur. Die Wächter treten die Männer und Frauen. Wir müssen uns auf den Flur setzen und lehnen unsere Oberkörper an die Wand. Unter der Augenbinde hindurch sehe ich die grünen Fliesen und Blut. Ich höre die Stimme eines Mannes, die fleht, ihn nicht umzubringen. Das Flehen und die Schreie der Gefangenen mischen sich mit den ununterbrochenen Drohungen und Beschimpfungen der Pasdaran. Ich nutze einen günstigen Moment und ziehe das Tuch, das sie mir über meinen Kopf gezogen haben, zur Seite und kann so einen Blick auf den Flur werfen. Der Flur ist überfüllt mit verletzten und bewusstlosen Menschen. Neben ihnen liegen trockene Brotstücke, Teller und Becher aus rotem Plastik. Wir, die Neuankömmlinge, sitzen auf dem Boden und bekommen immer wieder Tritte und Schläge auf den Kopf. Mehr jedoch, als uns körperlich zu quälen, zu erniedrigen und zu beleidigen, drohen sie uns.

„Steh auf und lauf! Hey, dich meine ich!“ Ein Pasdar befiehlt mir aufzustehen. Er reicht mir einen Kugelschreiber. Ich frage mich, was das soll. Er befiehlt: „Nimm das eine Ende des Kugelschreibers und folge mir.“

Für ihn bin ich unrein, und die Berührung mit einer Frau ist ihm sowieso verboten. Meine Hand darf seine nicht berühren. Also nehme ich das andere Ende des Kugelschreibers und laufe hinter ihm her. Er geht sehr schnell und ich kann ihm nicht gut folgen, weil auf dem Boden so viele Verletzte liegen, über die ich hinübersteigen muss. Er fährt mich an: „Was ist los? Hast du Angst? Kannst du nicht schneller laufen? Draußen habt ihr euch doch so widerstandskräftig gefühlt!“ Ich antworte ihm nicht und folge ihm schweigend auf einem unbekannten Weg. Endlich bleibt er stehen. Er öffnet die Tür einer Zelle und schickt mich hinein. Ich bin damals dreiundzwanzig Jahre alt. Ich betrete die Zelle ganz ruhig und langsam. Ich ziehe meine Augenbinde zur Seite. Es sind noch fünf andere gefangene Frauen da. Alle versammeln sich um mich und wollen Neuigkeiten von draußen hören und mich kennenlernen. Doch zuerst erzählen sie von sich:

„Ich bin Lehrerin und eine meiner Schülerinnen hat mich hierhergebracht. Mein Mann ist auch hier im Gefängnis. Ich habe ein fünfjähriges Kind draußen.“ „Ich bin Maryam Taleghani, die Tochter von Ayatollah Taleghani.“ Ich frage: „Was machst du hier?“ Sie antwortet: „Ich war Mitglied der Volksmudjahedin. Ich bin eine Studentin.“ „Ich bin auch Studentin“, sage ich. Mein Blick wandert zu einer älteren Frau, die nicht spricht. Die anderen erzählen mir, dass sie die Mutter von Bizhan Dajazani ist.

Die Studentinnen sind empört und aufgeregt. Sie sind bei den Vernehmungen fürchterlich gequält worden. Viele warten auf ihre Hinrichtung. Maryam Taleghani bittet alle, ruhig zu sein, um der Rede ihres Vaters, die über den Gefängnislautsprecher übertragen wird, zuzuhören. „Wo befinden wir uns hier?“ frage ich die anderen. „Weißt du nicht, dass wir im Ewin-Gefängnis sind? Wir befinden uns hier in Raum 209.“

„Ich habe versucht, Porträts von den Gefangenen zu malen. Wenn ich zeichnete, haben sich um die 30 Personen um mich versammelt. Jeder sagte was dazu. Meine Gefühle in dieser Zeit waren keine individuellen Gefühle. Ich teilte sie mit den anderen. Mein Heft gehörte allen und ging von Hand zu Hand. Jeder erkannte die Gesichter in dem Heft wieder und sagte: “Schau, das ist diese und jene.” Es war wie ein Fotoalbum. Das war unser Leben. Meine Aufgabe war es, das alles in meinem Gedächtnis aufzubewahren. – So viel wie möglich !

In der Abteilung wussten wir, wer als Nächste hingerichtet wird. Ich setzte mich dann zu diesen Gefangenen und malte sie. Die, die wussten, dass sie bald hingerichtet werden, sind zu mir gekommen und haben sich zeichnen lassen. Deswegen war dieses Heft in normalem Format mein wertvollstes Werk. Als ich verlegt wurde, habe ich dieses Heft vernichtet, weil ich verhindern musste, dass es den Gefängniswächtern in die Hände fällt.“

Abends, wenn wir in der Zelle sind, machen sie sehr früh das Licht aus. Von einem kleinen Fenster neben der Decke strahlt ein schwaches Licht herein. Die Lampe ist im Zimmer so installiert worden, dass die Gefangenen, die sich unter Folter befinden, nicht herankommen, um sich damit das Leben zu nehmen. Abends ist die Dunkelheit sehr deprimierend. Die Schreie und das Wehklagen derjenigen, die gefoltert werden, vermischen sich mit dem rezitativen Lesen des Korans. Manchmal herrscht eine tödliche Stille in der Zelle. Am Ende dieser Stille steht immer wieder das Geräusch des sich drehenden Schlüssels im Schloss. Mit jedem Öffnen und Schließen der Zellentür werden einer oder mehrere zur Hinrichtung abgeholt. „Jeder erwartet schweigend seinen Tod.” Wir wissen, dass sie für unsere Hinrichtung keine komplizierten Beweise brauchen.


Bild: Soudabeh Ardavan

Im Sommer 1988 exekutierte die Islamische Republik Iran im Geheimen schätzungsweise 5000 politischen Gefangenen im ganzen Land. Die Tötung durch eine außerordentliche Fatwa von Ayatollah Khomeini persönlich war unerbittlich und effizient. Gefangene, darunter auch Frauen und Jugendliche, wurden auf Gabelstapler geladen und an Kränen und Balken in Gruppen von fünf oder sechs Personen im Halbstundentakt den ganzen Tag lang aufgehängt . Die Opfer waren Intellektuelle, Studenten , Linke, die Mitglieder der Oppositionsparteien und ethnischen und religiösen Minderheiten. Was hatten sie verbrochen? Viele von ihnen wurden für "Vergehen" eingesperrt wie z.B. das Verteilen von Flugblättern, das Lesen eines verbotenen Buches oder wurden von "einem vertrauenswürdigen Freund des Regimes" beschuldigt, so Amnesty International.
Das Massaker war der Höhepunkt einer massiven durch das Regime von 1981 bis 1989 durchgeführten Kampagne zur Beseitigung von Regimegegnern. Während dieses blutigen Jahrzehnts wurden rund 20.000 politische Gefangene im Iran hingerichtet. Die Welt nahm davon kaum Notiz...