Diesen Brief schrieb Nasrin Sotoudeh bereits vor sieben Jahren nicht nur für ihren Ehemann, ihre Kinder und ihre Familie, sondern für uns alle:

Einige Worte an meine Landsleute

Ist etwa die Familienstrafe nur ein Zufall? Für 49 Tage trat ich aus Protest in den Hungerstreik wegen verschiedener Erschwernisse, darunter die Bestrafung meiner Familie. Während dieser Zeit entstanden große Besorgnisse, die alle aus Mitgefühl und Herzenswärme für eine kollektive Forderung waren, und diese war ein großes „Nein“ zur Familienstrafe.

Es ist meine Pflicht, meinen Dank und meine Anerkennung denjenigen aussprechen, die mit vollem Engagement sich der Sache gewidmet haben: Von öffentlichen und sozialen Bewegungen, besonders die trauernden Mütter, die ihre Kinder während der Bewegung von 2009 verloren haben, und meine Wenigkeit hatte die Ehre, einige dieser Mütter als Rechtsbeistand beiseite zu sein, bis zu Friedensmüttern und Frauenbewegungsaktivistinnen, den politischen Gefangenen, mit denen ich die Ehre hatte, die Haft zu teilen und meinen werten Mitinsassen, die während der ganzen Zeit die Umstände durch meinen Hungerstreik ertragen mussten, und natürlich meinem Ehemann und meiner kleinen Tochter, die auch sehr viel Leid ertragen mussten.

Ich danke den Menschenrechtsaktivisten aus aller Welt, den iranischen Exilanten, die nach der Bewegung von 2009 gezeigt haben, wie wichtig ihre Aktivitäten bezüglich der Wiederherstellung der Menschenrechte und der Demokratie in Iran sind.

Ich danke denjenigen, die ihre Rechte und Freiheit nutzten, und sie ließen mich und meine Familie wegen der Forderung, die scheinbar unsere kleine Familie betraf, nicht im Stich.

Ich danke den Personen, die mutig und durch ihre eigene Entscheidung sich an meinem Hungerstreik beteiligt haben, und natürlich ließen sie mich auch an der allgemeinen Sorge um den Hungerstreik beteiligen; dadurch haben sie mir begreiflich gemacht, wie der Hungerstreik eines Menschen den anderen in Sorge und Besorgnis versetzen kann. Ihre Tat brachte mir eine große Verantwortung mit, denn sie sind, um mich zu unterstützen, in den Hungerstreik getreten.

Ich danke den Menschenrechtsaktivisten aus aller Welt, die mir bei meinem Widerstand geholfen haben, und ich musste immer wieder daran denken, dass es auf der anderen Seite der Ozeane selbstlose Menschen gibt, die um menschliche Werte zu bewahren, mit mir solidarisieren, und dadurch die Last, die ich und meine Familie zu tragen haben, leichter machen.

Ich weiß, dass Sie sich Sorgen um meinen Hungerstreik machten; ich will, dass Sie wissen, ich war auch besorgt über alle diese Besorgnisse und Sorgen.

Warum war ich aber nicht bereit, meinen Hungerstreik zu beenden?

Ich ertrage neben meinen Mandanten und Dutzenden von politischen Gefangenen, die einzig und allein wegen ihrer ehrbarsten Taten im Gefängnis verbringen, harte aber kostbare Tage. Es sind zivile und politische Aktivisten, Glaubenshäftlinge, Bahâyi und christliche Landsleute, bei einigen von ihnen hatte ich die Ehre, sie zu verteidigen, und ich habe jetzt die Ehre, mit ihnen die Haft zu ertragen; Menschen, die ausschließlich wegen ihres Glaubens zu Unrecht verurteilt wurden. Aber sie [das Regime] wenden nach all der Tyrannei die Familienstrafe an. Zuerst verfolgten sie meinen Ehemann, dann wurde gegen ihn ein neues Strafverfahren aufgesetzt.

Nach der Verhaftung meiner Familie und meiner Kinder, auch wenn nur für ein paar Stunden, haben sie wieder ein neues Strafverfahren gegen meine 12-jährige Tochter aufgesetzt, denn sie erteilten durch eine hastige Maßnahme meiner Tochter das Reiseverbot.

Es ist das gute Recht meiner Tochter, wie jedes andere Kind und nicht mehr als andere Kinder, in solchem Alter ohne Angst und Drohung zu leben. Bis jetzt habe ich die Ehre gehabt, sehr viele Kinder meines Landes zu verteidigen. Die Kindesstrafe ist absolut verboten, geschweige denn die politische Bestrafung wegen der Eltern.

Natürlich wird die Familienstrafe nicht nur gegen mich und meine Familie verhängt. Um das Ausmaß dieser ungerechten Methode zu beschreiben, reicht es zu wissen, dass es allein unter den 36 Frauen, die in der Sektion für politische Gefangene ihre Haft ertragen, 13 Gefangene gibt, deren Familienmitglieder ersten Grades entweder im Gefängnis sitzen oder verfolgt werden; und diese Zahl bildet mehr als ein Drittel der politisch gefangenen Frauen.

Aus Protest gegen die Familienstrafe, wofür die Strafe meiner Familie ein Beispiel ist, trat ich den Hungerstreik. Ich habe die Hoffnung, dass die Familienstrafe aus der Drohung- und Druck-Politik abgeschafft wird.

Noch einmal drücke ich meinen Dank allen Personen aus, die mich durch ihre ständige Aufrichtigkeit nicht im Stich gelassen haben; und hiermit erkläre ich meine Zuversicht im Hinblick auf den Weg, der zur Gerechtigkeit, Recht und Demokratie führt.

Mit der Hoffnung auf die Freiheit und Befreiung

Nasrin Sotudeh
Evin-Gefängnis
Dezember 2012 (Âzar 1391)

Quelle: Facebook (Reza Khandan, Ehemann von Nasrin Sotudeh)