Die Lage der Menschenrechte im Iran (1)

Eine Veranstaltung zum Weltfriedenstag 2012 mit begleitender Bilderausstellung

Donnerstag, 11. Oktober und Freitag, 12. Oktober 2012 – 18 Uhr

Helmut Schmidt Universität Hamburg
Hauptbibliothek (Gebäude H1)
Holstenhofweg 85; 22043 Hamburg

 

Schirmherr:  Prof. Dr. Michael Staack - Professur für Politikwissenschaft, insbesondere Theorie und Empirie der Internationalen Beziehungen, Helmut Schmidt Universität Hamburg

Veranstalter:   Madarane Irani Hamburg
                      IMUDI - Initiative Menschenrechte und Demokratie im Iran
                      Internationale Organisation zum Schutz der Menschenrechte im Iran
                      22Khordad Hamburg

 

Donnerstag, 11. Oktober 2012, 18 Uhr

  • Einführung und Begrüßung, Prof. Dr. Michael Staack
  • Statement zum Weltfriedenstag (22Khordad Hamburg)
  • „Madarane Irani Hamburg“ – stellt sich vor
  • Lesung: „Die verlorene Ehre der Turan“, Barbara Naziri
  • (IMUDI – „Initiative Menschenrechte und Demokratie im Iran“)

Die begleitende Bilderausstellung, zu der alle Veranstalter etwas beitrugen, war gut besucht und sogar Schulklassen fanden sich dort ein, um sich über die gegenwärtigen Zustände im Iran zu informieren:

Schirmherr der Veranstaltung, Prof. Michael Staack, hielt eine bewegende Einführungsrede, in der er die Schönheit des Landes schilderte und die vergangene und jetzige Rolle des Irans kurz anriss. Er wies auf die dort herrschenden Menschenrechtsverletzungen hin, betonte aber auch den Mut der Bevölkerung und dessen Demokratiebestrebungen sowie das unermüdliche Auflehnen der Iraner gegen die Islamische Republik.


Prof. Dr. Michael Staack

Solmaz Shiva (22Khordad) verlas den Aufruf zum Weltfriedenstag:
Der Weltfriedenstag steht dafür, die Idee des Friedens sowohl innerhalb der Länder und Völker als auch zwischen ihnen zu beobachten und zu stärken. Daher möchten wir diesen besonderen Tag dafür nutzen und einen tieferen Blick in den Iran und seine Menschen werfen.

Wir möchten diese Veranstaltung dafür nutzen, um auf das Schicksaal jener Menschen im Iran aufmerksam zu machen, die ungewollt und unschuldig an die Ketten der Islamischen Republik Iran gelegt wurden.

Freiheit, Menschenrechte und Sicherheit sind für uns so selbstverständlich wie die Luft zum atmen. Doch es ist kein Geheimnis, dass für die Menschen im Iran diese Selbstverständlichkeiten ein weitentfernter Traum sind.

Alleine das Träumen könnten sie und bezahlen auch mit ihrem Leben. Sie sind jeden Tag dem Terror, der Brutalität und dem menschenverachtenden Systems der Islamischen Republik Iran ausgeliefert.

Dieser Umstand gefährdet nicht nur den internationalen Frieden, sondern vielmehr das Leben der friedliebenden Menschen, die genauso an ihrem Leben hängen wie Sie und Ich.

Die Menschen im Iran besitzen eine ganz unglaubliche Stärke und Würde; denn trotz der Schwierigkeiten, denen sie tagtäglich ins Auge blicken müssen, tragen diese Menschen ganz viel Liebe und Lebensfreude in sich und sie geben die Hoffnung nicht auf!!!

Die Hoffnung, dass auch sie die Schönheit des Landes und Lebens in vollen Zügen in Freiheit genießen können!

Die Hoffnung, dass das Ausland die Menschen im Iran mit anderen Augen betrachtet als die Regierung und auch die Hoffnung, dass der Iran nicht immer nur auf den Atomkonflikt reduziert wird; denn das ist genau das wonach das iranische Regime strebt, um von dem eigentlichen Übel, nämlich sich selbst abzulenken.

Das iranische Regime fürchtet sich genauso wie jedes andere diktatorische Regime vor dieser Hoffnung; denn Hoffnung hat bis jetzt jeden freiheitsliebenden Menschen gestärkt, um das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren.

Das iranische Regime fürchtet sich vor den Oppositionellen im In- und Ausland, sie fürchten jeden, der es sich erlaubt selbstständig zu denken und sich eine Meinung zu bilden. Jeder der es wagt, wird zum Staatsfeind ernannt, verhaftet, vergewaltigt, gefoltert und gar hingerichtet.

Trotzdem gibt es noch eine Gruppe von mutigen Menschen voller Hoffnung auf eine Veränderung. Es sind meist  Studenten, Gewerkschaften, Arbeiter, Künstler und viele mehr, die unermüdlich voller Lebensfreude weiter an der Hoffnung festhalten und friedlich unter ständiger Lebensgefahr versuchen den Weg für Menschenrechte, Freiheit und Demokratie im Iran zu ebnen.

Genau diese Menschen und ihre unbezahlbare Arbeit versucht das iranische Regime im Keim zu ersticken, doch wissen sie genau, dass sie dem alleine nicht gewachsen sind und versuchen ständig neue Feindbilder zu erschaffen. Sie versuchen unentwegt den Westen zu provozieren, um sich von innen heraus zu stärken; denn nur ein Militärschlag von außen könnte und würde die friedliche Protestbewegung der Oppositionellen zerstören!!!

Wir plädieren für die internationale Unterstützung der Menschenrechte und der Demokratiebewegung im Iran und wissen gleichwohl, dass eine gesunde und wahre Demokratie im Iran, nur aus dem Inland heraus durch sinnvolle Reformen erarbeitet werden kann.

Wir glauben an die mutigen lebensfrohen Menschen im Iran die voller Hoffnung ihre Augen auf Freiheit, Frieden und Menschenrechte gerichtet haben!!!!

Faride Musapur stellte als Sprecherin der Madarane Irani Hamburg ihre Gruppe und die jüngste Geschichte der iranischen Freiheitsbewegung vor:


Faride Musapur

Seit 2009 gibt es die Verbindung der trauernden Mütter vom Park Laleh (Madaran-e Park-e Laleh). Sie entstand nach der gescheiterten Demokratiebewegung („Grüne Welle“ oder „Iranischer Frühling“), als die Menschen zu Hunderttausenden empört auf die Straße gingen und ihre Stimmen einforderten („Wo ist meine Stimme?“), die durch einen manipulierten Wahlbetrug unterschlagen worden waren. Diese Bewegung, die es sich zum Ziel gesetzt hatte, friedlich zu verändern, wurde von der Islamischen Republik blutig niedergeschlagen, indem die Behauptung aufgestellt wurde, die Proteste seien vom Ausland gesteuert worden. So gingen Polizei und Bassidjmilizen mit brutaler Härte gegen die Demonstranten vor. Vor allem traf es die jungen Menschen, die im Iran den größten Teil der Bevölkerung ausmachen. Viele von ihnen bezahlten ihren Mut mit dem Leben, andere wurden inhaftiert oder verschwanden spurlos. Der Tod von Neda Agha-Soltan in Teheran gab dem Widerstand ein Gesicht und so wurde auch die übrige Welt endlich Zeuge über die menschenverachtenden Zustände im Iran.

Aus Solidarität für die Mutter von Neda fanden sich weitere betroffene Mütter (Madaran) im nahegelegenen Laleh-Park ein, in dessen Nähe Neda erschossen wurde, um Mahnwachen zu halten. Daraus entstand eine feste Gruppe von Müttern (Madaran-e Park-e Laleh), die von nun an regelmäßig Mahnwachen durchführten, bei der sie Bilder von ihren Kindern trugen und ihre Forderung auf Schildern zeigten.

Bereits in den 1980er Jahren gab es eine ähnliche Bewegung in Khavaran (Süd-Teheran). In diesen Jahren verfolgte das Regime viele Andersdenkende, Studenten, junge Leute, wurden  reihenweise festgenommen und zum Teil ohne Verurteilung hingerichtet und in Massengräbern begraben. So wurde in Khavaran ein Massengrab von ca. 4000 ermordeten Menschen gefunden. Die Mütter der Ermordeten gründeten damals eine Gruppe und forderten die Aufklärung dieser Massaker. Dieses Anliegen sollte auch auf internationaler Ebene untersucht werden. Seit nunmehr 30 Jahren halten die Mütter der Opfer ihre Anklage aufrecht, nicht aus Rache, sondern um der Gerechtigkeit willen: Aufgrund welcher Verbrechen habt ihr unsere Kinder getötet? Das Regime trug sich seitdem mit der Befürchtung, dass Khawaran zur Pilgerstätte / Gedenkstätte wird. Um dies zu verhindern, wurde wiederholt mit Bulldozern das Gelände umgegraben.

Doch erst 2010 wurde eine Publikation über das Verbrechen in Khawaran von den Menschenrechtaktivist / Berufsrichter der Vereinten Nationen „ Jeffrey Robertson“ bei den Vereinten Nationen vorgelegt. Darin bezeichnete er das Verbrechen von Khavaran als das schlimmste Verbrechen des vergangenen Jahrhunderts und forderte die Bestrafung der Verantwortlichen vor einem internationalen Gericht.
Die Mütter setzten ihre Mahnwachen fort. Sie forderten „Freilassung aller politischen Gefangene. Gleichzeitig solidarisierten sich Friedensaktivisten, Menschenrechtlern und Frauenrechtlerinnen, unter anderem auch viele Mitglieder der 1-Million-Unterschriften-Kampagne mit ihnen. Das Regime betrachtet jedoch solche Forderungen als Verbrechen und Verrat. Sogar Mitleid für diese Familien zu zeigen, steht unter Strafe und ganze Familien werden in Sippenhaft genommen. So verhafteten die Sicherheitskräfte regelmäßig mehrere Mütter (bis jetzt 100). Doch es traf auch jene, die sie verteidigten, wie z. B. Nasrin Sotudeh: Die Anwältin vertrat vor allem minderjährige Straftäter in Todeszellen und festgenommene Oppositionelle, die gegen die Wiederwahl von Präsident Mahmud Ahmadi-nedschad protestiert hatten. Im September 2010 wurde sie verhaftet und im Januar 2011 zu sechs Jahren Haft und 20 Jahren Berufsverbot verurteilt. Ihre Kinder ließ man sie nur durch eine Glaswand sehen. Sie trat mehrfach in den Hungerstreik und kämpft unbeirrt weiter. Ihr wurden mehrere Preise verliehen, zuletzt den Sacharow-Preis, gemeinsam mit dem ebenfalls inhaftierten Regisseur Jafar Panahi. Doch keiner von beiden konnte seinen Preis entgegennehmen.

Zu nennen wären auch die Menschenrechts-aktivistinnen Mansoureh Behkish und Akram Neqabi. Mansoureh wurde zu 4 ½ Jahren Haft verurteilt. Die Anklage lautete: "Versammlung gegen nationale Sicherheit und Gründung der Gruppe „Parke Laleh-Mütter“. Zwischen 1981 und 1988 verlor Mansourh Behkish fünf Familienangehörige - eine Schwester, vier Brüder und einen Schwager. Akram Neqabi ist die Mutter von Saeed Zinali, einem jungen Mann, der vor mehr als zehn Jahren von Sicherheitskräften aus seinem Haus entführt wurde und trotz aller Versuche, ihn zu finden, bis heute verschollen ist.

Das Regime verhindert Trauerfeiern in den Wohnungen der Opfer, die unter mysteriösen Umständen in den Gefängnissen starben. Die Leichname ihrer Kinder bekommen die Familien nur unter Voraussetzung, dass sie keine Trauer veranstalten.


Gruppe Madaran Hamburg mit Sprecherin Faride Musapur (2. v. rechts) und Barbara Naziri (Mitte)

Wir, die Madaran, verurteilen

  • Exekutionen von religiösen und ethnischen Minderheiten und Hinrichtungen aufgrund sexueller Neigungen, deren Leugnungen sich das Regime auf die Fahne geschrieben hat. Der iranische Präsident Ahmadinejad verkündete im September 2008 an der Columbia University in New York City, es gebe im Iran keine Homosexualität
  • verurteilen Gewalt und Folter in den Gefängnissen, wie Vergewaltigungen, Scheinhinrichtungen, Schlafentzug usw… Das Morden in den Gefängnissen sowie die Zahl der Vergewaltigungen – besonders in dem Gefängnis Kahrizak - war so hoch, dass sogar aus dem Umfeld der Regierung Stimmen laut wurden und dies an die Öffentlichkeit brachten.
  • verurteilen menschenunwürdige Bedingungen in den Gefängnissen: Die politischen Gefangenen in Evin leiden unter Krankheiten( Blutdruck-Herz und Nierenproblemen) und schlimmsten Haftbedingungen(wie beengte Raumverhältnisse und schlechter Hygiene)
  • unfaire Gerichtsverfahren: Angeklagte, die aus politischen Gründen vor Gericht stehen: erhalten unfaire Verfahren. Sie werden verurteilt aufgrund von "Geständnissen", die sie während der Untersuchungshaft unter Folter und Vergewaltigung gemacht haben.
    Die Gerichte ließen diese "Geständnisse" als Beweismittel zu, ohne zu untersuchen, wie sie zustande gekommen waren.
  • Steinigung und Vergeltungsurteile

Wir, die Madaran, fordern

  1. sofortige und bedingungslose Freilassung aller politischen Gefangenen. Mindestens 5.000 Menschen wurden seit der Wahl festgenommen, Hunderte politische Gefangene befinden sich derzeit in den Gefängnissen Teherans, viele in völliger Isolation, ohne Kontakt zu Familien und Anwälten. Sie erhalten keine oder nur unzureichende medizinische Versorgung, werden gefoltert, misshandelt, vergewaltigt.
  2. die Freilassung von Tausenden freiheitsliebenden Menschen, die in den Gefängnissen darben. Darunter sind Menschen aller Schichten, Arbeiter, Dichter, Schriftsteller, Studenten. Erst vor kurzem wurden mehrere Lehrer inhaftiert, davon drei zum Tode verurteilt wegen „Gründung einer Lehrergewerkschaft“
  3. die Freilassung aller Journalisten. 47 Journalisten sind zurzeit inhaftiert und damit ist die Anzahl höher als in jedem anderen Land der Welt. In der Rangliste der Pressefreiheit ist Iran von 179 Ländern auf Platz 175!!
  4. die Todesurteile und Hinrichtungen in allen Formen abschaffen. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Amnesty International sind im Jahr 2011 allein 600 Menschen im Iran hingerichtet worden, davon 50 Menschen öffentlich.
    Hinrichtung von Minderjährigen: Die Islamische Republik Iran ist eines der letzten Länder auf der Welt, in dem minderjährige Straftäter offiziell hingerichtet werden.

Dass allgemein bekannt ist, was im Iran bezüglich Hinrichtungen passiert, zeigen die Äußerungen von der EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton im Januar 2012: "Die Zahl der Hinrichtungen im Iran im vergangenen Jahr ist die höchste der letzten Zeit Damit ist der Iran bezogen auf die Größe seiner Bevölkerung weltweit führend beim Vollzug der Todesstrafe. Das widerspricht dem weltweiten Trend zur Abschaffung der Todesstrafe", kritisierte Ashton.

  1. öffentliche Prozesse gegen alle Schuldigen an den Verbrechen in den 33 Jahren Islamischer Republik. Sie sollen vor der Menschheit Rechenschaft ablegen und vor einem unabhängigen Gericht verurteilt werden. Dazu muss eine Wahrheitskommission eingerichtet werden, die alle Gerichtsverfahren untersucht und veröffentlicht.

Die Solidarität mit den Müttern ist eine weltweite Aktion. Vor genau drei Jahren, nach dem Aufruf von Frau Shirin Ebadi, haben sich weltweit „Solidaritätsgruppen“ gebildet, wie auch unsere Gruppe in Hamburg.

Unsere Aufgabe besteht darin, den iranischen Müttern, die wegen Zensur und Repression kein Gehör finden können, eine Stimme zu geben. Wir wollen erreichen, dass alle Menschen dieser Welt von den Zuständen im erfahren, es weitertragen … und handeln. Niemand soll später sagen, er hätte es nicht gewusst.

Unsere Positionen bestehen darin, dass wir ideologisch unabhängig sind. Wir gehören keiner politischen, ethnischen, religiösen Richtung und keiner Partei oder Organisatin an. Wir sind lediglich iranische Mütter und Frauen, die sich dazu bekennen, ein Teil der Freiheits- und Gerechtigkeitsbewegung der Bevölkerung im Iran zu sein. Darum setzen wir uns ein für eine freie, sichere Zivilgesellschaft und eine menschenwürdige friedliche Welt und sagen ausdrücklich Nein zum Krieg. Zugleich verurteilen wir die Provokationen von Seiten der iranischen Regierung, die mit Vergeltung, Racheaktionen sowie mit physischen Eliminierungen droht und handelt. Es ist unser Anliegen, den Kreislauf dieser menschenverachtenden Verbrechen zu durchbrechen und betrachten es als notwendig, dass die Mitwirkenden dieser Regierung einem offiziellen, gerechten und öffentlich anerkannten Gerichtsverfahren zugeführt werden und für ihre menschenver-achtenden Taten verurteilt werden müssen.

Bitte schauen Sie nicht weg! Wir bitten alle Freiheitsliebenden Menschen der Welt und die internationalen Menschenrechtsorganisationen, unsere Forderungen zu unterstützen und die Islamische Republik Iran aufzufordern, ihre internationalen Vereinbarungen, bezüglich der Einhaltung der Menschenrechtsgesetze zu achten.

Die Autorin und Deutsch-Iranerin Barbara Naziri (IMUDI – „Initiative Menschenrechte und Demokratie im Iran“ ) las ihre bisher unveröffentlichte Geschichte zu diesem Thema: „Die verlorene Ehre der Turan“


von links Mina Pourkar, Barbara Naziri und Faride Musapur