Iranischer Scharfrichter Shahroudi
zur medizinischen Behandlung in Hannover


Der Aufenthalt Shahroudis hat unter den Exiliranern in Deutschland Empörung hervorgerufen. Unter deutschen Mitbürgern ist Shahroudi so gut wie gar nicht bekannt. Doch mittlerweile erregt sein Aufenthalt auch hier Aufsehen.

Im Iran wurde die wirtschaftliche wie auch die politische Lage unerträglicher. Darum gingen seit Ende Dezember 2017 zehntausende Menschen auf die Straße, um gegen das islamistische Regime und seinen geistlichen Anführer Ali Khamenei zu protestieren. Einer der schlimmsten Massenmörder Irans hielt sich zugleich in Deutschland auf: Der Ayatollah Mahmud Haschemi Shahroudi ließ sich seit dem 21.12.2017 in einer Fachklinik in Hannover zwecks eines Hirntumors behandeln. Er war mit einem von der deutschen Botschaft in Teheran ausgestellten Visum eingereist. Nach Informationen der Farsi-Redaktion der Deutschen Welle hatte sich Shahroudi zuvor zur medizinischen Behandlung in London aufgehalten. Offenkundig wollte er sich danach in die Obhut deutscher Ärzte begeben.

Shahroudi war von 1999 bis 2009 Irans Oberster Richter und damit de facto Chef der Justiz im Land. Er gilt nicht nur als enger Vertrauter des Obersten Religionsführers Ali Khamenei, sondern auch als einer seiner potenziellen Nachfolger. Unter Shahroudis Ägide kam es zu 2000 Hinrichtungen, darunter vielen Minderjährigen sowie Folterungen und willkürlichen Inhaftierungen von Regimegegnern. Seine Grausamkeit, nicht davor zurückzuschrecken, selbst Minderjährige in den Tod zu schicken, ist legendär, unter ihnen beispielsweise die Schülerin Atefah Sahaaleh, die unter Folter gestanden hatte, mit 16 Jahren Opfer einer Vergewaltigung gewesen zu sein. Im iranischen Recht wurde ihr diese Vergewaltigung als Ehebruch ausgelegt, weswegen die Todesstrafe letztendlich auch vollstreckt wurde. Damit er sie zum Tode verurteilen konnte, erklärte er sich kurzerhand für volljährig. Solche widerlichen Morde werden ihm zuhauf gerade an jungen Menschen zur Last gelegt.

Zur Information: Die Fachklinik „International Neuroscience Institute“ (INI), in der sich Shahroudi aufhielt, hat beste Verbindungen in den Iran: Der iranische Neurochirurg Prof. Dr. Madjid Samii ist dort Klinikchef. In der iranischen Hauptstadt Teheran ist mittlerweile ein Ableger des Instituts am Entstehen, das flächenmäßig doppelt so groß ist wie das Original. Nun stellt sich die Frage, wieso war Shahroudi hier?

Und welche Rolle spielt dabei Prof. Dr. Madjid Samii? Seine ärztlichen Fähigkeiten sind nicht zu bemängeln. Doch ist er eine sehr umstrittene Persönlichkeit, die seit eh und je mit dem Islamischen Regime Iran freundschaftliche Kontakte pflegt (s. Fotodokumentation mit politischen Größen wie Larijani, Rafsandjani, Rohani etc.).

Inzwischen gerät Samii ins Stottern. Gegenüber dem NDR tönte er, als Privatperson jede Form von Diktatur zu verurteilen. "Ich würde niemals jemanden politisch unterstützen, der gegen die Menschlichkeit verstößt und ungerechte Urteile verhängt. Ich glaube, ich vertrete diese Meinung im Namen aller Deutschen." Seine Rechtfertigungsversuche klingen lahm. Zudem behauptet er deutschen Medien gegenüber, Shahroudi nicht gekannt zu haben. Das ist anzuzweifeln, denn Shahroudi steht an der Spitze iranischer Politik, gleich hinter Rohani und seine Urteile als Scharfrichter sind legendär. In iranischen Kreisen ist lange bekannt, dass Samii bereits mit dem verstorbenen Revolutionsführer Chomeini auf gutem Fuß stand. Manch einer wird sagen, ach, da ist doch noch der Hippokratische Eid, an den die Ärzte gebunden sind. Dagegen ist nichts einzuwenden, ginge es hier nicht um einen Massenmörder. Andererseits - hält sich Samii tatsächlich an diesen Eid? Da schreibt z.B. Reza Baghari auf Facebook:

Kennen Sie Professor Samii? Im Jahre 1999 war der Bruder meiner Frau in Deutschland. Er war gerade 21 Jahre alt. Ich rief Dr. Samii in Hannover an und bat um einen Termin. Ich wurde gefragt, wer für die Kosten aufkäme und ob ich sie übernähme oder eine andere Person oder etwa gar das Sozialamt. Ich erwiderte, er sei ein politischer Flüchtling. Daraufhin ließ er verlauten, es wäre besser, einen anderen Arzt in Frankfurt zu Rate zu ziehen. Auf unser Flehen, doch die Kraft des Herzens walten zu lassen und dass er als iranischer Arzt doch auch gut Beistand leisten könnte für einen Jungen, der der Sprache nicht mächtig war, betonte er, dass er nicht helfen könne. Dann brach er das Gespräch ab. Nach einer Weile ist der Bruder meiner Frau gestorben. Sein Verhalten werde ich Dr. Samii nie vergessen.

Von den Exiliranern hat die niedersächsische Landesregierung (Ministerpräsident Stephan Weil – SPD) einen Protestbrief erhalten, in dem sie protestieren, dass das Land Niedersachsen „diesem Schlächter des iranischen Regimes“ eine Herberge gibt und beklagten, dass an Shahroudis Händen das Blut vieler Iraner klebt. Er sei für seine „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ anzuklagen und zu verurteilen. Die Staatskanzlei in Hannover bestätigte inzwischen gegenüber der HAZ den Erhalt dieses Briefes. Es hieß, die Staatsanwaltschaft überprüfe die in dem Schreiben erhobenen Vorwürfe. Die Frage stelle sich nur, wie lang so eine Überprüfung dauert.

Auch Grünenpolitiker Volker Beck meldete sich zu Wort und berichtet auf Facebook:

"Ich habe Strafanzeige und Strafantrag gestellt. Deutschland darf kein Rückzugsraum sein für Leute, die in ihren Ländern Menschen aus politischen oder religiösen Gründen verfolgen und mit dem Tode bedrohen. Das iranische Regime verfolgt Frauen, die vergewaltigt wurden, Homosexuelle, Baha'is, Kurden und Atheisten.

Wenn die Bundesregierung hier dem Organisator der massenhaften Ermordung durch die iranische Justiz diplomatische Immunität gewährt hätte, wäre das ein großer Fehler. Wir dürfen kein Sanatorium für Menschenrechtsverbrecher sein, sondern müssen sie zur Verantwortung ziehen.

So will es auch das deutsche Völkerstrafgesetzbuch.

Hoffentlich löscht der GBA nicht wieder die Mail und das BKA wartet vergeblich auf den Anruf des GBA."

Quelle:
http://www.haz.de/Hannover/Aus-der-Stadt/Uebersicht/Volker-Beck-stellt-Strafanzeige-gegen-INI-Patient-Schahrudi

Weitere Oppositionelle und Exiliraner haben ebenfalls Anzeige erstattet. Doch während die Bundesanwaltschaft noch den Sachverhalt überprüfte, um zur Person Shahroudi wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu ermitteln, machte dieser sich bereits wieder aus dem Staub. Selbst die Presse äußerte sich deutlicher: "Während im Iran gerade Hunderte von Demonstranten verhaftet werden, werden bei uns Betonbärte hofiert". Und Grünenpolitiker Beck fügte hinzu: Wir sind kein Sanatorium für Verbrecher.

Nach Angaben der iranischen Oppositionsbewegung Nationaler Widerstandsrat Iran mit Sitz in Berlin flüchtete Shahroudi mit seinen sechs Begleitern am 11.01.2018 gegen 13:25 Uhr mit einer Iran-Air-Maschine von Hamburg aus Richtung Teheran. Er konnte dies trotz der gegen ihn vorliegenden Vorwürfe tun, während sich in Brüssel der iranische Außenminister Mohammed Sarif mit den Europäern - allen voran Sigmar Gabriel - trafen, um weiter über das iranische Atomprogramm zu verhandeln. Kritik am Vorgehen der iranischen Regierung ist von der EU dieser Tage selten zu hören, obwohl das Regime die Proteste der vergangenen Wochen mit großer Brutalität niederschlagen ließ. Zahlreiche Demonstranten mussten dabei sterben, viele kamen ins Gefängnis. Der Grund für die diplomatische Zurückhaltung: die Sorge um den Fortbestand des internationalen Atomabkommens. Die Menschenrechte bleiben weiterhin der Fußabtreter unserer Regierungen.