Prof. Dr. Claudia Schmidtke, MBA
Mitglied des Deutschen Bundestages
Mitglied im Gesundheitsausschuss
Platz der Republik 1

11011 Berlin

 

 

BMG, 23. November 2018

 

Sehr geehrte Frau Naziri,

ich übersende Ihnen anbei im Auftrag von Frau Prof. Schmidtke die Stellungnahme der Regierung zu Ihrem Anliegen.
Ich hoffe, diese hilft Ihnen weiter.

Mit freundlichen Grüßen

Sophia Maria Kübler
Wiss. Mitarbeiterin

 

Stellungnahme zur Personalbelastung im Rahmen der stationären psychiatrischen Versorgung Geflüchteter

 

Geflüchtete Personen leiden überdurchschnittlich häufig an psychischen Störungen. Vor dem Hintergrund der besonderen traumatisierenden Erfahrungen sowie sprachlicher und kultureller Unterschiede, die im Rahmen der stationären psychiatrischen Versorgung von Geflüchteten zu berücksichtigen sind, stellt sich die Frage nach einer etwaigen Überforderung des pflegerischen und medizinischen Fachpersonals sowie nach speziellen Schulungsmöglichkeiten in diesem Bereich.

Im Deutschen Krankenhaus Institut PSYCHiatrie Barometer 2017/2018 ist die höhere Belastung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als eine der drei größten Herausforderungen bei der Versorgung von Flüchtlingen und Asylbewerbern in psychiatrischen und psychosomatischen Einrichtungen angeführt.

Als weitere und damit zusammenhängende Herausforderungen wurden Sprachbarrieren, ein höherer zeitlicher Behandlungsaufwand, ein höherer Aufwand durch die Betreuung der Angehörigen sowie kulturelle Hürden von über 50 Prozent der befragten Häuser und Abteilungen als stark oder sehr stark eingeordnet. Das Fehlen spezialisierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wird von knapp der Hälfte der Einrichtungen als starke (39 Prozent) oder sehr starke (8 Prozent) Herausforderung eingestuft, während sich die andere Hälfte hiermit weniger stark (39 Prozent) bzw. gar nicht (13 Prozent) konfrontiert sieht.

Um den Schwierigkeiten bei der Versorgung Geflüchteter zu begegnen, haben psychiatrische Einrichtungen und Abteilungspsychiatrien verschiedene Maßnahmen umgesetzt, die sich besonders auf die Überwindung der Sprachbarrieren fokussieren. So greifen sie nach den Ergebnissen des PSYCHiatrie Barometers überwiegend auf dolmetschendes Krankenhauspersonal (79 Prozent), Angehörige und Bekannte der Patientinnen und Patienten (71 Prozent) und externe professionelle Dolmetscherinnen und Dolmetscher (67 Prozent) zurück. Darüber hinaus gibt es u. a. bereits ein Angebot übersetzter Informationsmaterialien und diagnostischer Tests. Zu organisatorischen Maßnahmen gehören beispielsweise Schulungen zu kulturspezifischen Aspekten, die zum Zeitpunkt der Befragung bereits von einem Viertel der psychiatrischen und psychosomatischen Einrichtungen umgesetzt waren und von anderen Einrichtungen konkret (14 Prozent) oder jedenfalls langfristig für die Zukunft (27 Prozent) geplant wurden, sowie spezielle (Beratungs-)Angebote für Geflüchtete.

Ferner greifen viele Einrichtungen neben Sprach- und Kulturmittlerdiensten (58 Prozent) auf die Zusammenarbeit mit niedergelassenen medizinischen und therapeutischen Fachkräften (56 Prozent), sozialpsychiatrischen Diensten (48 Prozent), den Aufnahmeeinrichtungen (47 Prozent) und Unterkünften (44 Prozent) sowie spezialisierten Beratungs- und Behandlungseinrichtungen (37 Prozent) zurück. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die psychosozialen Zentren für
Flüchtlinge und Folteropfer zu nennen.

Das vielfältige Schulungsangebot im Bereich der psychiatrischen Versorgung Geflüchteter reicht von kostenlosen Online-Kursen zur Versorgung geflüchteter Minderjähriger (des Universitätsklinikums Ulm unter Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung, https://shelter.elearning-kinderschutz.de) über Fortbildungen zur „Psychotherapie mit traumatisierten Flüchtlingen“ oder zur Berücksichtigung kultureller Besonderheiten (beispielsweise von der Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz, dem Landesministerium für Integration und der Koordinierungsstelle für die interkulturelle Öffnung des Gesundheitssystems und Verbesserung der Behandlung von psychisch kranken Flüchtlingen, https://www.lpk-rlp.de/detail/artikel/lpk-rlp-zeigt-engagement-beim-thema-psychotherapie-mit-fluechtlingen.html, https://www.lpk-rlp.de/veranstaltung/artikel/ehre-schuld-und-scham-als-aspekte-in-der-psychotherapie-mit-fluechtlingen-und-migranten.html) bis zu „Webinaren zur pflegerischen Versorgung geflüchteter Menschen“ des Deutschen Pflegerats (https://deutscher-pflegerat.de/presse/Pressearchiv/2017/1797.php).

Da der Anteil pflegebedürftiger Seniorinnen und Senioren mit Migrationshintergrund steigt und es in den nächsten Jahren einen zunehmenden Bedarf an kulturell differenzierten Versorgungsleistungen in der Alten- und Krankenpflege geben wird, entwickelt die Berufsfachschule Paulo Freire im Zentrum Überleben in einem dreijährigen Modellprojekt auf Bundesebene, das durch das Bundesministerium für Gesundheit finanziert und eng begleitet wird, eine E-LearningPlattform zur Förderung transkultureller Kompetenzen in der Pflege für langjährig in der Kranken- und Altenpflege beschäftigte Fachkräfte. Es ist geplant, die Plattform nach Abschluss des Projektes bundesweit und kostenfrei als Ergänzung zu bestehenden Fort- und Weiterbildungsangeboten allen ambulanten und stationären Trägern, die Pflegeleistungen in der Kranken- oder Altenpflege anbieten, zur Verfügung zu stellen. Die Lernplattform soll so strukturiert werden, dass eine Beschäftigung mit den Inhalten selbstbestimmt und jederzeit – vor allem auf mobilen Endgeräten wie Smartphones – erfolgen kann. Die E-Learning-Plattform soll über die vom Bundesministerium für Gesundheit angebotene Internetseite www.migration-gesundheit.bund.de abrufbar sein.

Im Ergebnis ist festzustellen, dass der besonderen Belastung des medizinischen und pflegerischen
Fachpersonals im Rahmen der Versorgung Geflüchteter seitens der Einrichtungen durch unterschiedlichste Maßnahmen begegnet wird. Von der Möglichkeit zur Schulung des Personals wird
dabei im Rahmen der Organisationshoheit der Einrichtungen in unterschiedlichem Maße Gebrauch gemacht.