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Die Menschen und das Regime in Iran (Helmut N. Gabel)

Eine intensive Konferenz mit vielfältigem Austausch zwischen Publikum und Referenten hat in Hamburg am 11. Juni 2011 stattgefunden. Der Verein für Menschenrechte und Demokratie und die Internationale Organisation zum Schutz der Menschenrechte im Iran hatten hochkarätige Referenten eingeladen.



Prof. Gholamasad, Barbara Naziri, Dr. Azmayesh, Helmut N. Gabel

Mit einer Schweigeminute für Haleh Sahabi und allen Opfern des Regimes im Iran begann die Konferenz mit dem Titel "Die Menschen und das Regime in Iran". Der Kulturladen in St Georg war voll und es waren nicht nur Exiliraner im Saal. Es macht Mut zu sehen, dass sich trotz vieler internationaler Krisen verschiedene Menschen im Westen für die Situation der Bevölkerung im Iran und die Natur des Systems interessieren. So wollten die Veranstalter auch Eindrücke aus dem Alltag, Ziele und Wesen des Regimes, Konsequenzen für die Welt und Möglichkeiten die Dauerkrise des Systems in Iran vor den Ohren der Anwesenden aufwerfen. Die Autorin und Dichterin Barbara Naziri aus Hamburg öffnete die Runde mit einem Bericht von einer Reise in den Iran im April 2011. Der Bericht öffnete die Möglichkeit einer differenzierten Betrachtung der vielschichtigen und farbigen Gesellschaft im Iran und der repressiven Kräfte des Sytems. Dieser Link führt zu ihrem Beitrag "Freiheit ist ein Vogel".

Die Leitfragen für die folgenden Beiträge waren: Was sind die Gründe für die heutige gesellschaftspolitische Situation in Iran? Was wünscht sich die Bevölkerung Irans?
Dazu führte zunächst der Hannoversche Soziologe Prof. Dawud Gholamasad seine Sicht auf einige Charaktermerkmale des Systems aus. Zugespitzt kann man seine Ausführungen auf 5 Aspekte zusammenfassen:

Das System der IRI ist nicht reformierbar

1. das Menschenbild der Ideologen des Regime ist das Bild vom ewig Unmündigen
2. die Bevölkerung muss im Dienst einer "heiligen" Ordnung "funktionieren"
3. Die "Grüne Bewegung" ist eine vielschichtige demokratische Bewegung zur Mündigkeit gereifter Bürgerinnen und Bürger
4. Manche Wortführer der "Grünen Bewegung" betreiben Verklärung statt Aufklärung und lenken damit ab von der institutionellen Krise

Hier geht es zum Wortlaut des Beitrags von Professor Gholamasad:"Die islamische Republik Iran - eine strukturelle Quadratur des Kreises".

Dr. Mostafa Azmayesh, Religionswissenschaftler und führendes Mitglied der Internationalen Organisation zum Schutz der Menschenrechte in Iran (IOPHRI) aus Paris, brachte eine Warnung vor der Vereinnahmung der "Grünen Bewegung" durch bestimmte Protagonisten zu Gunsten und im Rahmen des bestehenden Systems von Velayat-e-faghi (der Herrschaft des Obersten Schriftgelehrten, im heutigen Sinne Ali Khamenei). Sein Beitrag ist hier verlinkt: "Die Bürger wollen ein Ende des Systems von Velayat-e faghi"i. In diesem Beitrag spricht er von der Forderung der Bevölkerung nach einem allgemeinen Referendum über das zukünftige System in Iran.

Nach einer lebhaften Diskussion, die vor allem bemüht war, genau zu klären wie die vorgetragenen Unterscheidungen zu verstehen seien und wie genau der Weg in eine freie Zukunft möglich sei, rundete Barbara Naziri (Aramesh) die Veranstaltung mit zwei Gedichten ab, die wir hier mit freundlicher Genehmigung der Autorin abdrucken:

Iranischer Frühling
© Aramesh

In welcher Gasse der Zeit
ging der Frühling verloren,
verstummten die Nachtigallen?

Auf meinen grünen Augen,
wachsen schwarze Tulpen
unter der Sonne des Vergessens.

Statt süßer Küsse huschen
Ratten über Granatapfelmünder
und pressen Pflaster darauf.

Rechenaufgaben, mit Blut
auf Stein geschrieben, werden
gelöst durch den Klang der Peitsche.

Murmelnde Greise verschließen
Türen, auf dass schöne Mädchen
hinter den Gittern verkümmern.

Und oben auf den Minaretten
zählen schwarze Fledermäuse
die Gräber unserer Kinder.

(Aramesh Teheran 2009)

***

Schaut her!
© Aramesh

Der Frühling hat sein grünes Kleid
in die Bäume gehängt und bedeckt
seine Blöße mit verbrannten
Schmetterlingsflügeln.

Die Sonnenscheibe ist gebrochen
und die Mondperle entschwand
im Meer des Vergessens.
In einen Tschador gehüllt, lädt
der Himmel alle Wolken zum
Weinen ein.

Schaut nicht weg,
wenn kleine schwarze Fische
gegen den Strom zappeln, um
der Umarmung des Kraken zu
entkommen und wenn der Schrei
junger Lilien unter der Sense erstickt.

Schaut nicht weg,
wenn es Steine regnet, wenn
die Hoffnung hinter Gittern verdorrt
und wenn sich der Wind die Asche
unserer Gedanken greift...



Und so klangen die Worte der Dichterin aus einer intensiven Konferenz noch in der Nacht:
"Schaut nicht weg..."

Helmut N. Gabel